Das Manuskript wegwerfen
Roman kann ich es nicht mehr nennen.
Ich traf mich mit einem Agenten, und alles, was er hinterlässt, ist Verunsicherung.
Ich sehe ein, im MS gibt es Fehler, vor allem dramaturgische. Er kritisierte den Schluss und das Motiv des Mörders, ich machte Gegenvorschläge. Woraufhin er mich animieren wollte, mit einem neuen Stoff zu beginnen, weil eine Überarbeitung generell zu anstrengend sei.
Für ihn sicherlich, aber was ist mit mir? Ich habe ein Jahr lang am MS gearbeitet, okay, sagen wir, es geschrieben, ich kann doch nicht von einer Minute zur anderen sagen, ja, das war alles Bockmist. Jetzt, wo Sie’s sagen.
Wo bleibt denn da meine Glaubwürdigkeit, wo mein Interesse, mein Spaß, mit dem ich die Figuren durch die Großstadt geschickt hatte.
Ich muss es doch wenigstens versuchen, was draus zu machen. Sonst würde ich mich immer fragen, wie der Pilz ausgesehen hätte, wenn ich ihn geschält hätte. Ob ich ihn als Mahlzeit hätte anbieten können, wenn ich ihn gekocht hätte. Oder als Droge, was weiß ich. Irgendeinen Sinn muss das Ding doch haben.
Jetzt, wo ich zum hundertsten Male die möglichen Varianten durchgehe und bald nicht mehr weiß, welche davon genug Kraft hat, welche zu viel Arbeit kosten wird, die sich vielleicht aber lohnt, welche mitreißen kann, und zwar nicht nur mich, sondern vor allem einen Leser, bin ich wirklich reif, das Schreiben hinzuschmeißen. Hey, ich bin Grafikerin, ich habe dutzende Kinder, warum nicht ein Kinderbuch entwerfen, am besten ohne Text. Wer Fliegenpilze pflückt, sollte sie zum Stempeln mit Fingerfarbe benutzen.
Ich bin so dermaßen demotiviert, ich glaube es selbst kaum.
Ich treibe die Entscheidung, was mit meinem MS passieren soll, vor mir her, indem ich an Schreibwettbewerben teilnehme. Auf zehn Seiten werde ich doch wohl noch eine kleine Dramaturgie entfalten können, oder etwa nicht? Oder etwa nicht.
Ich könnte das Ding einfach dem Nächsten schicken. Warum ich es nicht tue? „Ich würde Sie lieber animieren, mit neuem Stoff anzufangen“.
Ich weiß nicht, ob es motiviert, wenn ich sage, dass einem das ständig in diesem Geschäft passiert und die Kunst in der Beharrlichkeit liegt. Und natürlich passiert es am Anfang häufiger, weil man mit jedem Buch dazulernt.
Ich würde mal Pause machen, an etwas anderes denken und dann die Sache analysieren und relativieren. Untersuche, wie überzeugend die Meinung des Agenten ist, – denn mit einer Agentur muss auch die Chemie stimmen, müssen die Interessen und Motive übereinstimmen. Befindet man sich in der Bewerbungsphase – die sollte man ausnutzen, natürlich mehrfach bewerben!
Es geht um einen extrem aufwändigen Eingriff, der aber zu bewerkstelligen wäre. Ich würde den aber nur machen, wenn ein fester Agenturvertrag da ist. Sonst kommt Agent 2 und will wieder etwas anderes und 3 nörgelt, unvermutet, weil er völlig andere Verlage an der Angel hat.
Deshalb hilft im Moment nur Eigenkritik:
Was von den Anregungen würde den Krimi wirklich verbessern? Lohnt es sich, mit weiteren Bewerbungen auf ein Umschreiben zu warten? Oder war es nur eine Geschmacksfrage und der Text kann an andere heraus?
Ob Umschreiben oder Neuschreiben – das kann nur der Autor entscheiden, der seine eigenen Geschwindigkeiten kennt. Wegwerfen ist manchmal zu einfach. Ich würde ein hart erarbeitetes MS nur dann wegwerfen, wenn ich über mehr als ein Jahr von verschiedenen Fachleuten mehrfach zu hören bekäme, dass es Müll ist. Und selbst dann ist es noch als Steinbruch gut!
Die Frage ist wohl eher: Weiter bewerben oder vorher ändern?
Viel Mut!
Wow.
Ich lasse deinen Kommentar noch auf mich wirken, aber erst einmal herzlichen Dank für die durchdachten Ratschläge!
Es wäre machbar, die beiden groben Schnitzer glattzuschleifen und es dann an weitere Agenturen (es war erst Nummer vier) zu senden. Du hast völlig recht, wenn der nächste Agent andere Prioritäten setzt, wäre ein Rundumschlag, jetzt, sinnlos.
Immerhin mochte er meinen Stil und hat sich mit mit getroffen.
Pause mache ich jetzt schon einen guten Monat lang, entweder reicht das noch nicht, oder es war bereits zu lang. Ich verliere die Lust. Aber wie gesagt, du hast völlig recht, danke schön.
[…] Mordatella auf Twitter Die, die immer die Fahrkarten vollkritzelt und etwas Aufmunterung gebrauchen kann. August 30th, 2010 in Fundstücke, Kunst, Leben, Lesen, Literatur, Rund ums Bloggen, Schreiben | […]
Liebe Mordatella,
im Aufmuntern bin ich sehr schlecht. Aber solche Hilferufe kann ich nicht unkommentiert verhallen lassen.
Zum eigentlichen Thema hat Petra alles Wichtige und Richtige gesagt, also bleibt mir nur zu sagen, dass ich felsenfest davon überzeugt bin, dass so eine kreative, gebildete und intelligente Frau wie sie nicht nur eine Lösung finden wird, sondern auch sehr viel mehr Möglichkeiten als andere Menschen hat, Erfüllung und Bestätigung zu bekommen. Sie würden ja schon Preise gewinnen, wenn Sie einfach nur ein Selbstportrait zeichnen oder malen würden.
Sie haben schon Fans, bevor das Buch fertig ist – also enttäuschen Sie uns nicht! ;)
Gruß Heinrich
Lieber Heinrich,
vielen Dank für den Zuspruch. Ich hoffe, ich kann solchen Erwartungen entsprechen. Für meine Zeichnungen habe ich jedenfalls noch nie Preise bekommen. ;-)
Im Grunde muss ich mich entscheiden zwischen Anspruch/epischer Breite und Pop. Entscheide ich mich für Pop, habe ich viel Arbeit (die derzeitige Hauptperson samt Lovestory müsste entfallen), die jedoch leicht von der Hand gehen wird. Entscheide ich mich für den Tiefgang (inhaltliche Lösung habe ich gestern – mal wieder – gefunden), kann ich mehr vorhandene Inhalte stehen lassen, aber die überzeugende Darstellung aller Motivationen wird schwieriger.
Und im Rücken habe ich immer die Stimme des Agenten, der vorhersagt, dass sich die Überarbeitung des Stoffes nicht lohnen wird.
Im Moment neige ich zum Tiefgang. Ich halte mich an Petras Rat, verarbeite die berechtigte Kritik des Agenten, versuche, die Lovestory um eine tragische Dimension zu erweitern, und biete es wieder an. Wenn ich dann noch lustig bin, kann ich immer noch radikal auf Pop umschreiben. Das einzige Problem ist die liebe Zeit, die bei mir stets nur Stippvisiten macht.
Liebe Angela,
jetzt mag ich auch noch meinen Senf dazu geben. Kaum bin ich zurück, muss ich solche Sachen von dir lesen?
Hinschmeißen geht, IMAO, mal gar nicht. Dafür bist du zu talentiert! Bleib dran, auch wenns schwer fällt. Nimm mit, was der Typ als Rat bieten kann, wirf alles andere über Bord, und vertrau ein bisschen auf deinen Instinkt. Wenn du dich ein Jahr mit dem MS beschäftigt hast, muss was dran sein, sonst hättest du schon früher die Lust dran verloren. Bevor irgendwer was dazu gesagt hat. Man merkt doch schon beim schreiben, ob das MS was taugt, was man da zu Papier bringt. Hinterher muss man es halt ein bisschen verteidigen, bis es so gut ist, dass es für sich selbst stehen kann.
Ich möchte dir sehr gerne helfen, ob als Testleser, moralische Stütze, virtuell-in-den-Hintern-Treter, Weiter-mach-Cheerleader… Was immer du willst.
I am here.
Wow.
Ich nehme die Cheerleaderin! Zunächst!
Liebe Caro, Danke schön für dein Vertrauen und die Unterstützung, beim ersten Lesen dachte ich, da schreibt einer meiner Freunde.
Ich bin schon, nach viel Konzeption und vielen Pausen, an der Überarbeitung und stecke meine Zeit nicht ins Blog (ein neuer, positiver Beitrag muss dringend her).
Der Mann hatte mit seiner konkreten Kritik durchaus recht, und ich baue entsprechend um. Stelle nun an einigen Stellen fest, dass sie gar nicht so toll sind wie von mir freudig abgestempelt. Trenne mich vom Ballast, verstärke Logik, Motivationen, Orientierung des Lesers. Der Mörder wird ein Anderer. Die Lovestory bleibt. Ich habe auch einen Kern gefunden: „Die Lüge ist ein Gift, das nicht mehr aufzuhalten ist.“ Es geht letztendlich ums Verzeihen. Verzeihen oder Verraten, diese Möglichkeiten haben meine Protagonisten. Der Kommissar hängt mehr drin, zu viel Rennerei à la Tatort fliegt raus. Mehr Epik, mehr Tragik.
Die andere Sache, die mir der Agent nahegelegt hat, ist die kommerzielle. Mit Ekel kommt man heutzutage zu hohen TB-Auflagen. Fürs Erste möchte ich aber dieses Buch rundschreiben, schleifen, verbessern, denn ich denke, da geht noch was, da ist das letzte Wort noch nicht geschrieben. Ich schlag Musik auf meine Ohren und habe wieder Spaß. Ich schmeiße raus und entdecke viel bessere Alternativen. Nenn es Leidenschaft. Ich muss es wenigstens versuchen. Klappt es nicht, kann ich immer noch die Kommerzschiene fahren und, zum Beispiel, Männern den Pullermann rösten. Die Crux ist, dass ich das ganz sicher kann, sagt er, ich müsste ihn nur anrufen.
Man darf aber nicht vergessen, dass ich – nebenher ;-) – als Grafikerin bereits einen schönen Beruf habe und nicht wirklich auf die geile Auflage angewiesen bin. Abgesehen davon muss es auch einen Mittelweg geben zwischen Mario Barth und Heimorgel.
Liebe Grüße!
(Hoch die Puschel!)
Angela
Na das klingt doch gleich viel besser, zuversichtlicher! Schön, es freut mich, dass du dran bleibst, deinen Weg gesucht, gefunden, und weiter machst.
Ich bin mir sicher, dass es einen sehr großen Mittelweg zwischen Mario Barth und Heimorgel gibt, und wenn nicht, dann schlag einen rein.
Ich jubel dazu. :)
*GO ANGELA GO*
*hust
Ich habe gerade für einen Blogbeitrag einen teil einer Geschichte verschickt die ich schreibe, eher für mich als für die Öffentlichkeit. Es gab da ganz unterschiedliche Meinungen zu diesem Ausschnitt. Einige (Verlage) sagten das es schlecht ist, andere wollten es Verlegen ohne den Rest zu kennen. Viele wollte mehr… Lass dich nicht entmutigen und feile einfach noch ein wenig dran herum. Als erstes musst du zu 100% zufrieden sein und dann Versuch es einfach erneut.
Danke für deine Kommentare. Ich glaube, ich habe jetzt eine gute Lösung gefunden. Im Mittelteil hängt es noch etwas durch. Aber ich muss schließlich noch 20 von 31 To-Do-Punkten einarbeiten ;-) Empfehlen kann ich überigens „Plot“ von Ansen Dibell.